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Blick in Nachbars Garten

Gartenplan. ohne Maßstab

Geheimer Dschungel

Ein Hof in der Altstadt von Mainbernheim wächst jedes Jahr über den Kopf

Historischer Hof und Dachterrasse

Geheimer Dschungel

Wolfgang Höfig ist erst spät zum Gärtnern gekommen, mit Ende 30, und es ist ausgerechnet in Arizona passiert. Da gestaltete er seinen ersten Garten, einen Kakteengarten, und es gelang gleich ‚ganz gut‘, erzählt er. Zurück im heimischen Mainbernheim wächst ihm heute das genaue Gegenstück eines trockenen Wüstengartens über den Kopf: ein geheimer Dschungel verbirgt sich hinter der hohen Toranlage, mitten in der Altstadt, ein Märchengarten. Schon 2003 war der Hof als »Schönster Innenhof im Landkreis« ausgezeichnet worden. Dabei sei der Hof damals noch fast kahl gewesen. Seither wird es von Jahr zu Jahr üppiger.

An der Substanz des Hofes hat Wolfgang Höfig kaum etwas verändert. Das Muschelkalkpflaster ist historisch und immer noch intakt. Die Pflanzen wachsen aus den Fugen und Ritzen, aus schmalen Pflanzbeeten und im ehemaligen Misthof. Dort steht eine Williams-Christ-Birne, an die sich eine Climberrose anlehnt. Die Wände aller Gebäude sind mit Kletterrosen, Blauregen und einjährigen Kletterpflanzen wie Prunkwinde und Glockenrebe, aber auch echtem Wein, bedeckt. Der Blauregen bildet ein Dach. Im Schatten wachsen Blatt-Kakteen statt Petunien aus Blumenkästen. Wolfgang Höfig hat sie alle selber aus einer ersten geschenkten Pflanze gezogen. Frauenmantel, Sonnenhut, Farne, Erdbeeren, Wolfsmilch, Stockrosen und Kapuzinerkresse bedecken den Boden. Auch eine Distel darf stehen bleiben und blüht dekorativ. Die Pflasterfugen sind eingesät, hier wird gejätet, was nicht passt, aber auch zufällige Sämlinge stehen gelassen. ‚Ich experimentiere, und die Pflanzen zeigen mir, wer am besten wohin und wer zusammenpasst.‘

Pflanzen mit Geschichte

Die meisten der großen Sträucher sind Kübel- und Topfpflanzen, mit erstaunlichen kleinen Töpfen und wenig Erde für teilweise über drei Meter hohe Sträucher. Die Zimmerpflanzen stehen hier in der Sommerfrische. Ein riesiger Weihnachtskaktus ist über 100 Jahre alt und seither auch in Familienbesitz. Am prägendsten sind die Engelstrompeten, ihr schwerer Duft erfüllt den Hof. Es fing alles mit dem Geschenk einer Besucherin an, die keinen Platz mehr für ihre Pflanzen hatte. Wolfgang Höfig nahm einige Engelstrompeten auf und vermehrt sie seither selber aus den Abschnitten, die weichen müssen, wenn alle für den Winter in ihren eigenen Wintergarten geräumt werden. Die Pflanzen sind zu groß für jeden Raum. Aber manches wird auch für Wolfgang Höfig zu groß, bislang fanden sich keine Adoptivgärtner.

Wird der Hof von Frühjahr bis Herbst und jedes Jahr mehr eingewachsen, so ist die große Dachterrasse hell und bietet weite Blicke, über die Dächer, den Turmgarten, als Teil der Grabengärten und in die Landschaft. In den Pflanzkästen blüht immer etwas, oft sät Wolfgang Höfig Saatgut, das er aus Arizona mitgebracht hat. Die Glockenreben werden in einer Mainbernheimer Gärtnerei für ihn vorgezogen.

Kreisläufe

Das Regenwasser aller Dächer wird in großen Behältern in der Scheune gesammelt. So klein die Pflanztröge auch scheinen, die Pflanzen selber verdunsten große Mengen an Wasser. Wolfgang Höfig gießt jeden Tag zwei Stunden, bis zu 500 Litern. So ist es um die Engelstrompeten an heißen Tagen merklich kühler als in der Umgebung. Auch die Pflanzenreste werden gesammelt und kompostiert. Mit den Substraten des Vorjahres mischt Wolfgang Höfig seine eigenen Erden, jede Pflanzenart erhält ihre eigene Mischung, die Geranienerde wird zum Beispiel wieder für Geranien verwendet.

Pflanzenschädlinge entfernt Wolfgang Höfig einfach von Hand. Das beste Insektenhotel ist ein Holzstapel, fast versteckt unter dem Hausweinstock.

Lernen aus Fehlern, lernen von den Pflanzen

Für Wolfgang Höfig sind Hof und Dachterrasse höchste Entspannung und kostenloses Bewegungstraining. Jeder Tag bietet neue Bilder, in jeder Jahreszeit gibt es anderes zu entdecken. Nie sieht der Hof gleich aus. Vieles wächst, was so nicht geplant war. Immer überraschen die Kombinationen, die sich die Pflanzen selber suchen. Zwar lässt sich Wolfgang Höfig von, meist englischen, Gartenbüchern inspirieren und besucht Gartenschauen und andere Gärtner, aber ‚die besten Tipps geben die Pflanzen‘. Über den Sommer würde Wolfgang Höfig nie woanders hin in Urlaub fahren, von November bis April ist die beste Zeit, wenn alle Pflanzen für den Winter eingeräumt sind. ‚Im Oktober ist es hier am schönsten, alles macht ab August noch einmal einen riesigen Sprung. Das müssen Sie sich anschauen.‘

Das machen wir, wir kommen wieder.

Wolfgang Höfig, Mainbernheim

Bilder, Text und Skizze: Mechthild Engert

Mechthild Engert

Landratsamt Kitzingen


Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landespflege

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